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Johanna Gottschalk



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Johanna Gottschalk wurde am 1.12.1903 als Tochter von Josef und Julie Gottschalk in Rheidt geboren.
Zusammen mit ihren Eltern und ihren beiden Brüdern Ludwig (entkam der nationalsoz. Verfolgung, indem er in die USA nach New York emigrierte) und Siegfried (überlebte den Krieg in den Niederlanden im Untergrund) verbrachte sie dort auch ihre Kindheit. Zu ihren Aktivitäten zählte auch die Mitgliedschaft im Rheidter Theaterverein, die sie bis ins Jahr 1936 aufrechterhielt. Ihr Vater, jüdischer Konfession, übte das Metzgerhandwerk aus und konnte auf diese Weise die 5-köpfige Familie ernähren.

1926 trat sie mit dem am 27. 02. 1906 im elsässischen Mülhausen geborenen Gustav W. in Frankfurt in den Bund der Ehe. Gustav W. war von Beruf Mechaniker und im Gegensatz zu ihr evangelischer Konfession. Nach der Geburt der Kinder Ruth (01.03.1927) und Horst (08.02.1932) zog die Familie nach Essen, blieb dort allerdings nicht sehr lange seßhaft, da Herr W. 2 Jahre später in Krefeld eine Agentur für Nähmaschinen eröffnete.
Im selben Jahr (1936) verstarb auch ihr Vater.

Früher als sie selbst, machten ihre beiden Kinder kurz nach ihrer Ankunft in Krefeld die ersten Erfahrungen mit dem Antisemitismus. Der Direktor der dortigen Volksschule Nr.4, ein überzeugtes NSDAP-Mitglied, ließ Ruth und Horst von der Schule verweisen, da ihre Mutter jüdischer Herkunft war. Besonders Horst sah sich immer wieder mit Hänseleien und handgreiflichen Tätigkeiten anderer Mitschüler konfrontiert.

Johanna und Julie Gottschalk vor der Metzgerei der Familie in Rheidt, Vater Josef im Türrahmen. Rechts ist übrigens der Pflegevater von Elis. Schindler mit im Bild.

Bereits 1934 wechselte Johanna Gottschalk ihre Konfession und trat der evangelischen Kirche bei, um drohenden Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten aus dem Weg zu gehen. Dieser Schritt konnte sie dennoch nicht vor einer möglichen Judenverfolgung retten, da sie aufgrund der Nürnberger Rassengesetzgebung weiterhin als Jüdin angesehen worden war, denn einzig und allein die Rasse und nicht die Glaubenszugehörigkeit waren das ausschlaggebende Kriterium dafür, weshalb sie sich vor antisemitischen Übergriffen nicht schützen konnte. Da ihr Mann allerdings christlichen Glaubens war, blieb Johanna Gottschalk bis 1944 vor einer Verhaftung verschont, später jedoch, als die Nationalsozialisten auch diejenigen Juden verfolgen ließen, welche mit einem christlichen Ehepartner verheiratet waren, wurde auch Johanna Gottschalk mit den nationalsozialistischen Rassenidealen konfrontiert.

Weil eine geplante Deportation jüdischer Familienmitglieder immer wahrscheinlicher wurde, blieb Johanna Gottschalk nichts anderes mehr übrig, als sich im Anbau ihres Wohnhauses für längere Zeit zu verstecken. Immer wieder tauchten Gestapobeamte bei den W.s auf, fragten nach ihr und kontrollierten einzelne Zimmer, ohne jedoch eine strenge Hausdurchsuchung durchzuführen, was Johanna Gottschalk vor einer Festnahme und der damit verbundenen Deportation in ein Übergangs- oder Konzentrationslager bewahrte, im Gegensatz zu ihrer Mutter Julie, die am 09.02.1943 im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben gekommen war. Die Polizei jedoch vertiefte ihre Forschungen nach dem Verbleib von Johanna Gottschalk, so daß sich ihr Mann gezwungen sah, ein sichereres Versteck für sie zu finden.

In dieser Situation wandte sich Gustav W. an den niederländischen Bauern Hermann Tervoort, der in Krefeld als Straßenhändler Eier verkaufte und auf diesem Weg mit der Familie W. in Verbindung gekommen war. Herr W. fragte ihn, ob er nicht eine Möglichkeit wüßte, seine Frau zu verstecken, da diese als Jüdin Gefahr liefe, von der Gestapo verhaftet zu werden. Herr Tervoort zögerte nicht lange und nahm Johanna Gottschalk mit auf seinen Bauernhof. Weil sich seine Frau aber ganz und gar nicht damit einverstanden zeigte, eine Jüdin in ihrem Hause zu verstecken, brachte Hermann Tervoort Johanna Gottschalk auf den benachbarten Bauernhof seines Bruders Peter, der zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits von der Wehrmacht eingezogen worden war. Dennoch war der Hof nicht unbewohnt, da sowohl seine Frau Anna, als auch seine Mutter auf dem Gehöft lebten und Johanna Gottschalk sehr herzlich aufnahmen. Die Abgelegenheit des Bauernhofes bot Frau Gottschalk die Gelegenheit, sich dort weitgehend unbemerkt von ihrer Umgebung frei zu bewegen. Um der Langeweile zu entgehen, beschäftigte sie sich mit Handarbeiten, mußte sich jedoch jedesmal in ein kleines Zimmer zurückziehen, sobald ein Fremder den Hof betrat, um Lebensmittel von Anna Tervoort zu erwerben. Wenn der Fremde gegangen war, half Johanna Gottschalk wieder im Haushalt mit oder arbeitete auf dem Feld, den Kopf mit einer Mütze bedeckt. Sie lebte immer in der Angst, entdeckt zu werden, auch wenn ihre Familie sie an einigen Sonntagen besuchen kam mußte sie immer befürchten, daß jemand ihrem Mann und ihren Kindern gefolgt und so ihren Aufenthaltsort bekannt geben könne.

Eines Tages kam ein fremder Mann auf den Bauernhof und konfrontierte Anna Tervoort mit der Nachricht, daß er genau wisse, daß sie eine Jüdin versteckt halten würde. Er forderte von ihr ein Schwein, andernfalls drohte er, der SS mitzuteilen, daß sich auf dem Gehöft eine versteckte Jüdin befände. Um das Leben der Johanna Gottschalk zu retten, blieb Anna Tervoort nichts anderes übrig, als der Forderung des Fremden zuzustimmen. Aus Angst, der Mann könne wiederkommen, schlug ein Bekannter der Familie Tervoort, der Studienrat Ernst E., welcher von dem Aufenthalt der Johanna Gottschalk auf dem Bauernhof wußte, vor, ein neues, sichereres Versteck zu finden.

Über den weiteren Weg von Frau Gottschalk gibt es zwei unterschiedliche Aussagen:

Wie Anna Tervoort später erzählt, wurde Johanna Gottschalk Anfang Januar des Jahres 1945 verkleidet und von ihr und Herrn E. nach Krefeld gefahren, um sie bei dem evangelischen Pastor J.Lauer unterzubringen; da sie 1934 die evangelische Konfession angenommen hatte, faßte man diesen Schritt als erstes ins Auge. Durch einen unerwartet ausgelösten Fliegeralarm sah sich der Pastor jedoch nicht dazu in der Lage, ihr zu helfen, weil er jetzt in den Luftschutzkeller gehen wollte. Dieses veranlaßte Anna Tervoort, Ernst E. und Johanna Gottschalk einen katholischen Priester aufzusuchen, der ein Bekannter des Herrn E. war. Er erklärte sich allerdings auch nicht dazu bereit, Johanna Gottschalk aufzunehmen, da er bereits einer anderen verfolgten Person Unterkunft gewährt hatte und es als ein zu großes Risiko ansah, noch ein weiteres Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungswelle bei sich aufzunehmen. Der Priester, dessen Namen nicht mehr bekannt ist, gab ihnen jedoch den Rat, Frau Gottschalk im großen Bahnhofsbunker zu verstecken, da nach dem letzten großen Luftangriff dort niemand mehr nach seinen Personalien gefragt werden würde. Daraufhin brachte man Johanna Gottschalk in den Bahnhofsbunker, wo sie bis zum Einmarsch der Alliierten in Krefeld im März 1945 unerkannt bleiben konnte und von Anna Tervoort und Ernst E. mit Lebensmitteln versorgt wurde.

geswgott.jpg (39329 Byte) Frau Gottschalks Tochter Ruth konnte sich jedoch daran erinnern, daß ihre Mutter nach dem Weggang von dem Bauernhof der Familie Tervoort von einem befreundeten Dentisten in seinem Haus versteckt worden ist, während ihr Mann Gustav und die beiden Kinder Ruth und Horst in dem Bahnhofsbunker lebten. Als Johanna Gottschalk dann eines Tages an dem Eingang des Bunkers vorbeigehen wollte, wurde sie von einem Soldaten, der dort Zuflucht gefunden hatte, in den Bunker gezerrt, wo sie ihrem Mann und ihren Kindern begegnete. Dort soll die Familie W. dann bis zum Einmarsch der alliierten Streitkräfte in Krefeld gelebt haben.

Am 01.04.1990 verstarb Johanna Gottschalk in Krefeld. Bis zu ihrem Tode blieb der Kontakt zu Anna Tervoort und ihrer Familie bestehen. Für ihren außerordentlichen Mut und Einsatz hat Anna Tervoort am 12.01.1995 von Bundespräsident Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz erhalten, ebenso darf sie sich mit dem Titel "Gerechte unter den Völkern" schmücken, der ihr von dem Yad Vashem Museum in Jerusalem für ihre Hilfe für jüdische Menschen während des Holocaust verliehen worden ist.

Johanna W. geb. Gottschalk mit ihren Brüdern Ludwig und Siegfried

Quellenangabe :

Die Informationen für diesen Text stammen zum großen Teil aus Gesprächen, die die beiden Historiker R. Schippkus und B. Ostrowski vom Stadtarchiv in Krefeld sowohl mit Frau Anna Tervoort, als auch mit dem Ehepaar Ruth und Heinz J. 1992 und 1993 geführt haben.

Desweiteren stellte Frau J. geb. W. noch andere Materialien bereit, die zum Verständnis der Lebensgeschichte ihrer Mutter Johanna Gottschalk beigetragen haben.

Zuletzt muß noch Dr. Heinrich Linn erwähnt werden, der mit Hilfe seiner Materialien an der Entstehung dieses Textes Anteil hatte.

Ihnen allen müssen wir unseren Dank aussprechen, da ohne ihre Mithilfe dieser Text in seiner jetzigen Form nie hätte entstehen können.


"Gewalt beendet keine Geschichte"
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